Stuttgart – Die Zeugen Jehovas verstoßen nach Ansicht des Landes Baden-Württemberg gegen das Grundgesetz. Unter anderem gefährde die Religionsgemeinschaft das Grundrecht auf Achtung des Familienlebens und der Ehe. Mit ihrem Verbot von Bluttransfusionen gefährdeten die Zeugen Jehovas außerdem „Leib und Leben“ von Kindern und Jugendlichen, sagte eine Sprecherin des Kultusministeriums am Mittwoch auf Anfrage. Die Landesregierung hatte sich mit der umstrittenen Glaubensgemeinschaft beschäftigt, weil sie als Körperschaft öffentlichen Rechts mit den christlichen Kirchen gleichgestellt werden wollte. Das lehnt das Land ab.
Die Glaubensgemeinschaft verbiete den Kontakt mit „abtrünnigen“ Familienmitgliedern. Das verstoße gegen Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes – den Schutz von Ehe und Familie. Mit dem Kontaktverbot zu ausgetretenen Mitgliedern „halte sie zudem mit vom Grundgesetz missbilligten Mitteln austrittswillige Mitglieder in der Religionsgemeinschaft fest“, heißt es weiter. Das sei ein Verstoß gegen die Religionsfreiheit aus Artikel 4 Absatz 1 und 2 des Grundgesetzes.
Weil nach den Regeln der Zeugen Jehovas die Annahme von Blut oder Blutbestandteilen selbst im äußersten Notfall verboten ist, seien das Leben von Kindern und Jugendlichen gefährdet – ein Verstoß gegen Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes. Die meisten Bundesländer haben die Zeugen Jehovas inzwischen als Körperschaft öffentlichen Rechts anerkannt und sie damit den christlichen Kirchen gleichgestellt. Hintergrund ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zugunsten der Gruppierung aus dem Jahr 2000.
Die baden-württembergische CDU/FDP-Landesregierung ist anderer Rechtsauffassung. Das Kabinett hatte den Antrag schon Mitte Dezember abgelehnt. Der offizielle Ablehnungsbescheid wurde allerdings erst jetzt zugestellt. Eine Klage der umstrittenen Glaubensgemeinschaft vor Gericht gilt als wahrscheinlich.
In Baden-Württemberg hat die Gruppierung nach eigenen Angaben 28.000 Mitglieder. Als Körperschaft des öffentlichen Rechtes müssten die Zeugen Jehovas weniger Steuern und Verwaltungsgebühren zahlen. Sie könnten eine Kirchensteuer erheben und dürfen wie die evangelische und katholische Kirche in Aufsichtsgremien der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sitzen.