Bremerhaven. Bei Geburten liegt die Sterberate der Mütter, die zu den Zeugen Jehovas gehören, bis zu 60 mal über dem Durchschnitt. Das religiös begründete Verbot der Bluttransfusion sorgt für dieses Desaster, und es bringt Ärzte in größte Schwierigkeiten. Besonders, wenn es um das Leben von Kindern geht. Steht so eine Religion auf den Grundlagen des Rechtsstaats? Von Klaus Mündelein
Es war teilweise erschütternd, was die Bürgerschaftsabgeordneten gestern von Klinikärzten zu hören bekamen, die von ihren Erfahrungen mit Zeugen Jehovas berichteten. „Das Verbot der Bluttransfusion bringt Ärzte in den Konflikt, sich zwischen unterlassener Hilfeleistung und Missachtung des Patientenwillens zu entscheiden“, sagte Dr. Burkhard Hofmann vom Bremer Rot-Kreuz-Krankenhaus. „Wenn ein Kind eine Bluttransfusion braucht, sind die Eltern zwiegespalten zwischen der rational richtigen Entscheidung für die Fusion und der Angst, die Seele zu verlieren“, sagte Prof. Dr. Hans-Iko Huppertz von der Professor-Hess-Kinderklinik. Einige überließen dann die Entscheidung Dritten.
Kann man so eine religiöse Gruppierung mit anderen Religionen gleichstellen? Das fordern die Zeugen Jehovas. Sie wollen auch im Land Bremen Körperschaft des öffentlichen Rechts werden. Damit sind steuerliche Privilegien und das Recht, Kindergärten zu betreiben, verbunden. Baden-Württemberg hat den Antrag gerade abgewiesen, Rheinland-Pfalz auch. Die Mehrheit der Bundesländer gewährte das Privileg jedoch.
Im Land Bremen ist die Bürgerschaft zuständig. Um sich ein Bild zu machen, hatten die Abgeordneten gestern zur Anhörung geladen. Stundenlang waren schwere Bedenken von ehemaligen Zeugen oder Anwälten zu hören. Auf die ging am Ende Gajus Glockentin vom Vorstand der Zeugen Jehovas nicht ein. Er nannte die Anhörung eine „Inszenierung“, bei der die 2000 Zeugen Jehovas im Land „mit Schmutz beworfen“ würden. Es lägen keine Rechtsverstöße vor, und dennoch würden hier viele Berichte zum Besten gegeben.
Die Ausschussvorsitzende Insa Peters-Rehwinkel (SPD) verbat sich den Vorwurf der Inszenierung und sprach Glockentin das Recht ab, Äußerungen der Referenten zu bewerten. Kritiker, die einst selbst zu den Zeugen gehörten, berichteten über die seelische Gewalt, denen Abtrünnige ausgesetzt seien. Der Kontakt mit ihnen werde untersagt, der Riss gehe durch Familien. „Vati ist jetzt böse, weil er Jehova verlassen hat und vernichtet wird“, berichtet Bernd Galeski vom Netzwerk Sektenausstieg den Einfluss, der dabei auf Kinder ausgeübt werde.